[ELIAS HOHLBERG]
Der Tod ist ein Gelchter,
Denn das Leben ist bizarr.
Er pocht an roten Tren,
Denn sein Richter
ist ein Narr.
Komisch ist das Leben,
Wenn es nicht mehr mit mir tanzt.
Plump scheint es zu geben,
Was der Tod in uns
verschanzt.
Lebt ich khn wie ein heller Ton,
lebt ich wie ein kranker Mann...
lebt ich wie ein Bub vom Zarenlohn,
lebt ich
wie nur ich es kann.
[ERZHLER]
Khn blieb der Leierkastenmann,
Komisch war sein Gesang.
Er drehte die Leier ohne
Zwang,
Er machte Humor zum Drang.
[ELIAS HOHLBERG]
Lebt ich wie ein Mann vom Zarenlohn,
lebt ich wie ein kranker
Mann...
lebt ich (so) khn wie ein heller Ton,
lebt ich wie nur ich es kann...
[ERZHLER]
Khn blieb der
Leierkastenmann,
Komisch war sein Gesang.
Er drehte die Leier ohne Zwang,
Er machte Humor zum Drang.
Khn blieb der
Leierkastenmann,
Komisch war sein Gesang.
Er drehte die Leier ohne Zwang,
Er machte Humor zum Drang.
Als die groe
Judenhetze einsetzt, wird es fr Hohlberg immer schwieriger,
sein Ideal vom komisch besetzten Menschentum mit fidelen
Klngen
durchzusetzen. Whrend die Knigsberger letzte Briefe kritzeln, versteckte
Mnzen zhlen und ber ein nchstes Jahrzehnt
ratschlagen, stellt sich
ihm, dem Leierkastenmann, ein barfiges Mdchen mit dem indischen Namen
Tschandravatii vor. Das vom Schmutz
der Wasserlachen bekleckerte Kind
verehrt das Hohlberggemt, hpft und singt vor seinem Kasten, das
dunkelblaue Kleidchen mit beiden
Hnden hochgehoben, und verwandelt den
Puppenfratz August in eine skurrile Tanzfigur. Frhmorgens und so lange
bis die Nacht erwgt,
den frhlich begonnenen Tag mit dunklen, immer dunkler
werdenden Nachttchern zuzudecken, tanzt das knochige Waisenkind zu
Hohlbergs
bizarr-komischer Musik. Er leiert und leiert, doch kalte Winter
ziehen hinauf nach Knigsberg, und nur noch kranke Bettler und Tote
ruhen
in der eisigen Stadt. Willens, den Krieger zu beschmen, bevorzugt Hohlberg
den Winter als Mrder seiner Lieder, seiner Trume
und seines Lebens. Als
der Judenfeind die Stadt Knigsberg erreicht, zieht der Spielmann stolz
und trunken in den verzweigten
Labyrinthgarten nahe dem Marktplatz, um dort
den harten Kampf gegen den russischen Winter, der ob seiner erdrckenden
Schneedecken
nun endgltig seinem Namen gerecht wurde, zu verlieren.
Einige Jahre spter, nachdem der Leierkastenmann nachweislich aus
der
Stadt verschwunden war, erzhlte sich manch Knigsberger die folgende
Geschichte:
Damals, im strengen Winter 1941, soll ein
indisches Mdchen erfroren sein,
6 Jahre alt und verliebt in die Geige. Man sagt, das Kind htte einen
Spielmann lachen hren, unten am
Graben, in dem knstlich angelegten
Labyrinthgarten der Stadt. lachen wie der Donner donnerte und Sonne in
der Nase kitzelte, lachen
wie es das Mdchen selbst nur allzu gerne tat.
Barfu und dem Leierkastenspiel eines Verrckten hrig, war es in den
Irrgarten gezogen,
dem Gelchter des Leierkastenmannes folgend. Fast
verwegen ob der lauten Mitteilung stiefelte das Kind weiter, ohne je einen
Stiefel
getragen zu haben. Der Mann lachte und lachte, leierte immer
wieder zwei, dann drei Tne. Immer leiser verstummten sie in den
vereisten
Schneebrettern, die sich nun nach und nach von den eisig bedeckten Hecken
lsten.
Man fand das Mdchen dann im
Frhjahr danach, als viele Knigsberger aus
dem Sden zurckkehrten, um nach ihren Huserresten zu sehen. Es sa am Boden,
die Arme
verschrnkt, vor sich ein Kopekenstck, das aus einer leeren
Handschale fiel. Den Kopf hatte es an einen Leierkasten gewinkelt.
Und
dort, wo Schnee schon schmolz, doch Erde noch fern war, ragte die Holzhand einer
feurig roten Marionette hervor. Unter ihr -
konnte das ein lachender Toter
gewesen sein? - fand man, die Marionette fest umklammernd, einen jdischen
Musikanten, erfroren und
genauso mindestens einen Winter tot.
Sein Name: Elias Hohlberg, 39 Jahre alt.