Unterstadt-Oberstadt-Zirkusstadt verdeutlicht eine politisch wie satirisch
gemeinte Botschaft in einem komisch-humoristisch
gefrbten Hierarchiedenken.
In der Unterstadt lebt der Arme, der Bettler, das Kind, der Unmndige. In
der Oberstadt lebt der Reiche,
der Philister, der Knig, der Kaiser, der
Edelmann. Die Zirkusstadt als idealistische Konstruktion ist die grte
Fiktion der
Judenbuben geblieben. Das Zusammenfhren aller
Gesellschaftsschichten mit dem Bettler im Zentrum der Komik bzw. im Zelte
der
Zirkusstadt, wre schlussendlich die wichtigste Kreation der
Weltkriegszeit gewesen. Sich ber Juden tot zu lachen hat nichts
Komisches;
erst dann wenn der Unterstdter und der Oberstdter gemeinsam ber den
Gaukler lachen knnen, zeigt sich der
sozial-kommunikative Gehalt der Komik.
Ein enttuschter und pikierter Clown erzhlt Ihnen und beklagt, dass die
Sitzreihen um die
Manege herum frei bleiben, wenn er sich in schwieriger
und mhsamer Zeit der Komik unterwirft. Er mchte Unterstdter und
Oberstdter
zusammenfhren und Soldaten und Kanonen aus dem Zelte ausschlieen.
Whrend hier im Zirkusrund Clowns und Gaukler tollen,
zermrben sich auerhalb des
Zirkuszeltes Soldaten und Krieger, die keinen Platz in der Manege finden
knnen und wollen. Sehen Sie
dieses Stck gleichzeitig als satirische
Auseinandersetzung und penible Begegnung zwischen Zorn und Komik, Soldaten
und Pazifisten
sowie zwischen Konventionalisten und Nonkonformisten. Die
Komik klagt an: Es lebe die Zirkusstadt. Es lebe der fidele Ton,
das
Gelchter gezeichneter Frauen und Mnner, die dem Kriege zum Trotz einen
Platz gefunden haben, der sich Zirkusstadt
nennt.
[ERZHLER]
Ein Clown als Herr der fidelen Welt
Stand grmig in seinem Zelt...
Der Clown klagt an, denn wo
bleibt der Mann,
Der munter seiner Komik frnt.
Er grmt sich bang, wenn ein froher Mann,
Nicht heiter aus dem Zelte
tnt:
[DER CLOWN ALJOSCHA]
Herein, arm Volk, die Zirkusstdter tanzen schon!
Herein, arm Volk, der Gaukler lsst euch euren
Lohn!
[DER CLOWN SERJOSCHA]
So klatscht euch wund in der Zirkusstund,
Ja grient und lacht in den unsren
Schacht.
[DER CLOWN ALJOSCHA]
Verschanzt euch nur, blasiert und stur.
Verprasst das Geld hier im Zirkuszelt.
[DER
CLOWN SERJOSCHA]
Schenk mein fein Herr nun dein Herz her!
Griene - Weine - Nimm das Meine!
[DER CLOWN
ALJOSCHA]
Lach fr diese Bettlernacht,
Lach feig Hoheit, lach und lach.
Klatsch in deine Hnde sacht,
denn, mein Knig: Dies
ist Macht!
Zeig dich hier im Bettlertum,
Lass dein Herz im Zelte ruhen.
Blech doch unsre Zirkuspacht,
denn, mein Knig:
Dies ist Macht!
[DER CLOWN SERJOSCHA]
So klatscht euch wund in der Zirkusstund,
Ja grient und lacht in den unsren
Schacht.
[DER CLOWN ALJOSCHA]
Verschanzt euch nur, blasiert und stur.
Verprasst das Geld hier im
Zirkuszelt.
Reinun Perlmann war der einzige der Buben, der das jdische Lemberg mit
wehmtigem Geigenspiel und offiziellem
Traditionell verste; Juden aus
Ungarn, und dem Russischen Reich kamen unentwegt angereist, um Reinun
Perlmanns Spielkunst zu
lauschen. Kaum ein Violinist besa die Fhigkeit,
derlei virtuos mit der rechten Hand zu streichen; die Gewohnheit Reinuns
mutierte
zur Attraktion, zum Stolze Lembergs: Ehe er es wusste war er
Lembergs Held und Knig der Musikanten gewesen. Als er 1920 mit
Elias,
Mehmet und Ithzak aus Lemberg fort zieht, ertrinkt das geistliche Lemberg
in furchterregender Stille, noch unwissend, dass
sie auer Elias Hohlberg
allen noch einmal begegnen werden. Im Juni 1938 erfhrt die Geschichte um
den Knig der Geigen eine
fatalistische Wende. Die Deutschmnner hacken
dem jungen Perlmann, trotz dessen Flehen, seine fr das Spiel notwendigen
Extremitten
verschont zu lassen, die rechte Hand vom Unterarm. Was die
Hitlersoldaten am Vorabend mit Pfennigen erkauften, mordeten sie
am
folgenden Tage im Trunke kriegerischer Banalitt und antisemitischer
Gefolgschaft.