Versuri ANGIZIA - Vorwort



Album: ANGIZIA - Das Schachbrett Des Trommelbuben Zacharias



Diese Geschichte spielt in einer Zeit, in der das Schachbrett eine
gesselschaftlichte Legende blieb und ein Brettspiel auf den Tischen armer
und reicher Manner Platz fand, wie zahlreich schmierige Teller oder
verstopfte Salzbuchsen. Staturen, die man zum Betrieb einer Partie
benotigte, sie vergaben sich nicht im Kehricht ihrer Kammen und Kabauschen:
Man hat sie gereinigt, sobald sich der Staub an ihrer Kanten hievte oder
lieb sich vom hiesigen Tischler eine eigene Garnitur zurechtschnitzen. Die
Figuren, oft genug an ihren eigenen Haupten uber ein Kastchengetragen, sie
galten einer Verwandlung, ohne zu altern, wie auch der Schachspieler mit
dem Gewahrwerden des Strategen zum alterlosen, doch gutlichen Denker wurde.
Einzig und allein um die Auslese der Farben wurde gestritten; durfte man
sich fur eine Schattierung entscheiden, war man fur diesen einen Moment der
einzig liberale Mensch im hochverschuldeten und einzigen Gasthaus des
Dorfes. Die Holzstaturen, die man selbst aufstellen durtle,
vergegenwartigten die eigene Mannschaft, eine Art Tischebene, die, wie der
grobe Kiefernwald zu Hause in Kurejka oder Saskylach, unbewohnt und kaum
bewirtschaffet die umwinterte Verwandschaf vor Lawinen schutzte. Ja, man
war auf dieser Flache ganz fur sich allein, ohne jedoch aus der Welt zu
sein, denn in jedem einzelnen Kastchen des Holzberetts war die Nahe der
Zivilisation zu spuren, sogar starker und naher als im Innenhof des
Gasthauses - mit diesem wirren Getose von Heugabeln und der Spatenarbeit,
die has Schneebett auf den Sandwegen zerstorte. Ich erzahle diese
Geschichte night, wie sie sich wirklich zugetragen hat, sondem vielmehr wie
ich sie selbst erlebt habe. Das Schachspiel, das ich der Handlung der
Geschichte, dem Simultanablauf, der Musik, der Illustration zugrunde legte;
es ist eines, das ich selbst spielen musste; aus Angst, durch meine
taktische Unfertigkeit den regularen Spielprozess einer Schachbegegnung zu
verletzen, erschloss ich mich der Moglichkeit eines SciSys-Schachcomputers.
Gewiss, oft genug war ich durch programmierte Zuge Schachmatt gesetzt
worden, durch alles entscheidende, blinkende Lichter und fertige Diagramme
entrusted gewesen, doch: Ich verstand es immer mehr, mit der realen
Einschrankung dieses Spielsystems - der Restriktion auf figurale Werte,
einer Interaktion zwischen machtlosen und machtvollen Spielfiguren oder der
symbolischen Bedeutung eines schlichten Brettspiels - umzugehen. Vor mir,
auf je 32 elektronisch gesteuerten schwarzen und weiben Kastchen, erlebte
ich (in abermalig interessanten Varianten) die Vergesselschaftung eines
Denkspiels, das eisige Mitgefuhl mit Millionen von anderen Menschen, durch
Hin- und Herschieben von Bauer, Laufer und Turm in und mit einer soliden
Gesselschaft zu hasardieren. (Engelke, Dezember 1998).